Referendarin berichtet vom ersten Mal

Referendarin berichtet vom ersten Mal

Plötzlich Referendarin

Unsere Autorin Kelly berichtet von ihren Erfahrungen während des Referendariats. Und den vielen neuen Herausforderungen, denen sie sich stellen musste.

Es gibt Sachen im Leben, auf die kann man sich nicht richtig vorbereiten.

Klar kann man üben, man kann trainieren, man kann sich in die Situation schon einmal hinein denken. Doch wenn der große Moment gekommen ist, dann fängt man trotzdem ganz von vorne an. Beim ersten Sprung vom Dreier zum Beispiel. Oder beim Küssen. Oder eben beim Referendariat.

Ich erinnere mich nur zu gut an die ersten Wochen meines Referendariats. Es war Frühjahr, eigentlich meine liebste Jahreszeit. Doch in diesem Jahr sollte ich kaum Zeit finden die ersten Blüten und die tollen Luft zu geniessen.

Meine theoretische Ausbildung war an ihr Ende gelangt. Nun durfte ich endlich in der Praxis umsetzen, was ich über Erziehung und Unterrichtsmethoden gelernt hatte. Ich war hochmotiviert.

Doch dieser Bruch, den die praktische Ausbildung mit sich brachte, darauf war ich nicht vorbereitet. Nicht auf den Höllenlärm, nicht darauf pubertierende Heranwachsende zur Räson zu bringen, nicht auf die neuen Anforderungen des Tages, und nicht auf den wahnsinnigen Druck meiner Ausbildung.

Doch der Reihe nach.

Wussten Sie, dass ab einer Geräuschbelastung über 65 Dezibel das Herzinfarktrisiko steigt?
Das weiß ich auch noch nicht lange. Genauso wenig, wie dass die meisten Lehrer einer Belastung von über 95 Dezibel ausgesetzt sind. Klar war auch ich ein lautes Hintergrundrauschen aus dem Hörsaal gewohnt. Doch der Lärm, der durch einen Haufen Siebtklässler erzeugt wird, war damit nicht zu vergleichen.
Ruhe und geordnete Sitten in dieses Rudel voller Schallquellen zu bringen, war allerdings eine Fähigkeit, die mir mein Studium nur unzureichend vermittelte.

Außerdem musste ich auf einmal lernen, mich ganz neu zu organisieren. Das Studium kam mir stellenweise schon extrem fordernd vor. Hausarbeiten, Vorbereitungen – und Klausuren waren sicher auch keine Mangelware. Wenn ich allerdings heute mein Studium mit dem Referendariat vergleiche, dann kann ich nur schmunzeln über die anfängliche „Chill-Phase“.

Ich musste nun Materialien erstellen, den Unterricht vorbereiten, natürlich Klassen unterrichten, Gespräche mit Mentoren und Seminarleitern, später auch Gespräche mit den Eltern führen. Als wäre das noch nicht genug, musste ich zu Fortbildungen, Seminaren und Konferenzen.

Das ich die Schüler auch bei Schulfesten, Kursfahrten und Entlassungen begleiten durfte, war wirklich schön und eine gelungene Abwechslung. Aber eben auch ein totaler Zeitfresser.

Und dann diese ständigen Leistungsüberprüfungen! Dieser Druck brachte mich fast zum Platzen. Die Beurteilung meiner Materialien, der Unterrichtsskizzen und meines Auftretens vor der Klasse empfand ich als sehr subjektiv und oft auch als ungerecht. Es reichte meistens für eine einigermaßen anständige bis ziemlich gute Bewertung – oft konnte ich aber nicht nachvollziehen, wie es dazu gekommen war. Meistens fühlte ich mich den Bewertungen meiner Arbeit einfach ausgeliefert.

Doch nach dem Frühling kam der Sommer.

Die Ansprüche waren weiterhin riesig, der Stress wurde nicht weniger und die Belastungen blieben hoch. Nach und nach lernte ich aber, mit dem Druck des Referendariats besser umzugehen. Mein Auftreten wurde selbstsicherer, ich lernte mich zu organisieren und auch den Stress konnte ich besser wegstecken.

Rückblickend ärgert mich wohl am meisten der Widerspruch, dass wir den Schülern eine Lernatmosphäre schaffen sollen, die das Lernen aus eigener Überzeugung ermöglichen soll – während man uns Referendare andererseits piesackt und ständig unter Druck setzt. Eine schöne „Lernatmosphäre“ ist das wahrlich nicht.