Im Februar 2018 musste das sächsische Kultusministerium dramatische Zahlen zu den Neueinstellungen bei den Lehrern bekannt geben. Durch ein neu aufgelegtes Handlungsprogramm soll die Zahl der qualifizierten Lehrkräfte in den kommenden Jahren nun wieder kräftig steigen. Zu den Maßnahmen zählt die Verbeamtung in Sachsen und die Rückkehr von bereits pensionierten Lehrkräften in den Schuldienst. Das Programm stößt jedoch auch auf Kritik.

Schlechte Einstellungszahlen erfordern Handeln

Nach nur wenigen Monaten im Amt hatte der sächsische Kultusminister Piwarz bereits im Februar 2018 alarmierend schlechte Nachrichten zum Besetzungsverfahren der Lehrkräfte zu vermelden. Es konnten nicht alle offenen Stellen besetzt werden. Noch schwerer wog allerdings der Umstand, dass nur ein kleiner Teil der Stellen an grundständig ausgebildete Lehrkräfte vergeben werden konnte. Für fast zwei Drittel der Stellen (62 Prozent) muss die Landesregierung auf sogenannte Seiteneinsteiger zurückgreifen. Dabei handelt es sich um Bewerber, die zwar ein mit Master, Magister oder Diplom abgeschlossenes Studium nachweisen können, pädagogische Qualifikationen fehlen den Kandidaten jedoch und müssen über eine sogenannte Einstiegsfortbildung nachgeholt werden.

Die Gründe für den Lehrermangel sind vielfältig. Die seit Jahren steigende Geburtenraten, die Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen der Inklusion, aber auch der Zuzug von Geflüchteten haben den Bedarf an Lehrkräften nicht nur im Freistaat spürbar erhöht.

Dabei steht Sachsen nicht alleine: Das Phänomen des Lehrermangels ist in den meisten Bundesländern mittlerweile zur ernsten Realität geworden. Laut einer im Januar veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen bis zum Jahr 2025 alleine 35.000 Grundschullehrer.

Handlungsprogramm mit vielerlei Zielen

Grund genug für die sächsische Landesregierung, nun ein Handlungsprogramm auf den Weg zu bringen, um die Attraktivität des Lehrerberufs drastisch zu erhöhen. In ungewohnter Einigkeit vereinbarten die Spitzen der sächsischen Regierungskoalition in der Nacht zum 9. März ein Förderprogramm, das bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Das Programm unter dem etwas klobigen Namen ‚Handlungsprogramm Nachhaltige Sicherung der Bildungsqualität im Freistaat Sachsen‘ vereint gleich mehrere Ziele.

So soll ...
- die Attraktivität des Lehrerberufs gesteigert werden

- die Zahl der grundständig ausgebildeten Lehrer wieder erhöht werden

- Lehrkräften, die bereits heute an Schulen in Sachsen unterrichten, eine Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht werden

- neue Lehrkräfte zum Einsatz in Sachsen animiert werden

- eine lange geforderte gerechte Entlohnung stattfinden

- den Lehrern mehr Zeit für Kernaufgaben ihres Berufs eingeräumt werden

Bisher wurde der Bedarf an neuen Lehrkräften nur langfristig geplant. Im Zuge des Handlungsprogramms findet nun auch eine kurzfristige Planung statt, die mögliche Einstellungszahlen genauer abbilden und so ein weiteres Fiasko bei den Neueinstellungen verhindern soll.

Sachsen führt Verbeamtung wieder ein

Das beschlossene Maßnahmenpaket besteht aus mehreren Komponenten, die die gewünschten Mehreinstellungen von qualifizierten Bewerbern nachhaltig sichern soll.

Im Konkurrenzkampf um die künftigen Lehrkräfte wurden eine ganze Reihe an Maßnahmen beschlossen, die potentielle Lehramtsstudenten auch außerhalb sächsischer Landesgrenzen aufhorchen lassen dürften.

Um die Einstellungszahlen wieder signifikant zu erhöhen, ist das Kultusministerium nun teilweise auch jahrelangen Forderungen seitens der Pädagogen nachgekommen.

Bundesweit für Aufsehen sorgte die Ankündigung, künftig alle neu einzustellenden Lehrkräfte wieder zu verbeamten. In Zeiten durchweg rückläufiger Anzahl an Beamten ein durchaus bemerkenswerter Schritt, der die Dringlichkeit der Maßnahme nochmals deutlich macht.

Eckdaten für Verbeamtung in Sachsen
▪ Ab 1. Januar 2019 für alle neu einzustellenden Lehrkräfte mit grundständiger Bildung

▪ Lehrkräfte, die bereits in anderen Bundesländern verbeamtet wurden, werden bei Beibehaltung des Beamtenstatus übernommen

▪ Lehrkräfte mit grundständiger Ausbildung wird Möglichkeit der Verbeamtung ebenfalls gegeben – allerdings analog der Regelung in den anderen Bundesländern nur bis zur Vollendung des 42. Lebensjahres

▪ Die Garantie der Verbeamtung ist zunächst befristet bis zum 31.12.2023, wobei bis zum 21.12.2021 eine Überprüfung der Maßnahme stattfinden soll

Kultusminister appelliert an bereits pensionierte Lehrkräfte

Ungewöhnlich – und sicher auch dem Ernst der Lage geschuldet – ist der Schritt, Lehrkräfte, die sich kurz vor der Pensionierung befinden, zur weiteren Tätigkeit zu bewegen. Künftig sollen Referendare, Quereinsteiger und Praktikanten von den Erfahrungen dieser sogenannten ‚Senior-Lehrkräften‘ profitieren. Ausdrücklich wurden dabei auch bereits pensionierte Lehrer aufgefordert, sich dem Programm anzuschließen und zeitlich befristet aus dem bereits angetretenen Ruhestand zurückzukehren.

Weitere Maßnahmen sollen Bildungsqualität langfristig sichern

Die weiteren Maßnahmen klingen nicht weniger spektakulär.

– Referendare und Lehramtsanwärter werden ab 2019 Beamte auf Widerruf

– Sofern das zweite Staatsexamen erfolgreich bestanden wurde, erhalten die Referendare mit Beginn der Referendariatszeit eine Einstellungsgarantie. Diese Beschäftigungsgarantie ist zunächst auf Grundschulen, Förderschulen und Oberschulen beschränkt. Bei Gymnasien und Berufsschulen ist sie abhängig von den gewählten Fächern bzw. Fächerkombinationen

– Einführung einer künftig flexibleren Teilzeit

– Maßnahmen zur gleichen Besoldung über alle Schularten hinweg

– Überarbeitung der Lehr- und Stundenpläne

– Gezielte Ansprache von Lehrkräften zur Verringerung der Teilzeitquote

– Einstellung von unterstützendem, nichtpädagogischen Personal

– Weitere Maßnahmen zum Coaching von Berufseinsteigern

– Künftig sollen auch im ländlichen Raum neue Ausbildungsstätten entstehen

Gemischte Reaktionen auf Handlungsprogramm

Auch wenn sich ein Teil der Maßnahmen wie eine Wunschliste etablierter Lehrkräfte liest, waren die Reaktionen darauf doch durchaus gemischt.

Unmittelbar nach der Veröffentlichung am 9. März machte ein Tweet des sächsischen Ablegers des Philologenverbands die Runde, der im euphorischen Ton die Verbeamtung als ein gutes Zeichen lobte und als Erfüllung einer langjährigen Forderung pries. Tage darauf wurden allerdings auch erste kritische Stimmen laut. In einem im Internet veröffentlichten offenen Brief des Gymnasiums Dresden-Cotta kritisierten die Verfasser insbesondere den Umstand, dass es durch die Begrenzung der Verbeamtung bis zum 42. Lebensjahr zu einer Spaltung unter den Lehrkräften komme. Ein Großteil der bereits beschäftigten Lehrern könne so gar nicht mehr von den Maßnahmen profitieren und müsse – verglichen mit den Kollegen, die unter das Programm fallen – erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen.

Ähnlich kritisch äußert sich auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, die vor großen Unterschieden bei der Bezahlung trotz gleichwertiger Arbeit warnt. Eine Tatsache, die nach Aussage der Arbeitnehmervertretung, viele Pädagogen als Hohn empfinden dürften. So wundert es nicht, dass auch beim Philologenverband mittlerweile von der anfänglichen Euphorie nicht viel übrig geblieben ist. Offensichtlich überrascht von den vielfältigen ablehnenden Reaktionen seiner Mitglieder, warnt der Verband mittlerweile im scharfen Ton vor den Auswirkungen der unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen. Derweil gibt sich der sächsische Lehrerverband noch unschlüssig. Um die Stimmung und Forderungen seiner Mitglieder korrekt aufzunehmen, wurde zunächst eine Befragung zur Entwicklung des Handlungsprogramms ins Leben gerufen.

Sächsisches Kultusministerium bietet umfangreiche Informationen

Ausführliche und weitergehende Informationen zu den Maßnahmen und Möglichkeiten des Handlungsprogramms finden sich auf den Seiten des sächsischen Staatsministeriums für Kultus. Neben einer Langfassung des Handlungsprogramms findet sich dort mittlerweile auch ein Blogbeitrag, der die am häufigsten gestellten Fragen [FAQ] beantwortet.

Genderhinweis

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Wir legen großen Wert auf Diversität und Gleichbehandlung. Im Sinne einer besseren Lesbarkeit unserer Texte wählen wir jedoch oftmals entweder die maskuline oder die feminine Form. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung anderer Geschlechter. Wenn wir also beispielsweise von Lehrern und Schülern sprechen, meinen wir selbstverständlich auch Lehrerinnen und Schülerinnen.
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