Dienstunfall? Lehrerin stürzt im Bierzelt von der Bank …

Dienstunfall? Lehrerin stürzt im Bierzelt von der Bank …

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Der Sachverhalt

Die Klägerin begleitete am 3. und 4. Mai 2012 eine Klassenfahrt nach München. Am Abend war laut Programm der Besuch des Frühlingsfestes geplant. Als gegen 22.00 Uhr die Klägerin zusammen mit Schülerinnen auf einer Festzeltbank standen, kippte diese um. Die Klägerin stürzte zu Boden und zog sich eine Fraktur der Deckplatte des 2.Lendenwirbels zu. Sie wurde in ein Krankenhaus gebracht. Die auf der Verletzung beruhende Dienstunfähigkeit bestand bis zum 10.06.2012.

Ablehnung der Anerkennung als Dienstunfall

Das Regierungspräsidium hatte die Anerkennung als Dienstunfall abgelehnt. Mit der Einlassung, dass es sich bei dem Besuch im Bierzelt um einen offiziellen Programmpunkt der Klassenfahrt gehandelt habe, hat die Klägerin der Ablehnung widersprochen. Die Zurückweisung des Widerspruchs stellte darauf ab, dass kein fachlicher Bezug zur Lehrtätigkeit zum Stehen auf einer Bierbank bestehe. Der Unfall sei mithin weder in Ausübung noch in Folge ihres Dienstes eingetreten. Die Lehrkraft habe sich selbst der Gefahr ausgesetzt.

Dienstbestandteil?

Die Klägerin erhob daraufhin Klage mit der Begründung, dass der Festzeltbesuch fester Programmpunkt und damit Dienstbestandteil gewesen sei. Aufgrund der Minderjährigkeit der meisten der Teilnehmer wäre sie durch die Begleitung ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen. Zudem diente die Studienfahrt dem pädagogischen schulischen Gesamtauftrag.
Die Klägerin verlangt die Aufhebung des ablehnenden Bescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart und den Beklagten zu verpflichten den Vorgang als Dienstunfall anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage.

Erörterung der Sachlage

Am fraglichen Abend sei der Festzeltbesuch unter den Schülern vereinbart worden. Etwa zehn Teilnehmer sowie die beiden Lehrkräfte hätten schließlich das Festzelt besucht. Das Alkoholverbot wurde von den Lehrerinnen erfolgreich überwacht. Bei Livemusik stellten sich viele Besucher auf die Bänke und tanzten. Die Klassenlehrerin, die zum Unfallzeitpunkt gerade die Toilette besuchte, hatte angeregt, dass auch die Schüler dies tun können.

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart entschied am 31.01.2014 unter Az.: 1 K 173/13, dass eine Verletzung, die anlässlich eines dienstlich veranlassten Volksfestbesuches eintrat, als Dienstunfall zu behandeln sei. Die sich daraus ergebende Dienstunfähigkeit ist nicht der Privatsphäre zuzurechnen.

Das Urteil und seine Begründung

Aufgrund der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage ist der Unfall als Dienstunfall i. S. d. § 45 Abs. 1 LBeamtVG anzuerkennen. Die beamtenrechtliche Unfallfürsorgeregelung bietet Beamten einen über das normale Maß hinausgehenden Schutz bei schädigenden Ereignissen, die im Bereich der dienstlichen Sphäre, stattfinden. Die ist zu bejahen, wenn bei Ereigniseintritt der Beamte sozusagen „im Banne“ seines Dienstes stand. (Vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 3.11.1976 – VI C 203.73 -, BVerwGE 51, 220; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.9.2007 – 4 S 516/06 -, VBlBW 2008, 225.) Im umgekehrten Fall die die Dienstunfalleigenschaft zu verneinen. BVerwG, Beschl. v. 26.2.2008 – 2 B 135/07, NvwZ-RR 2008, 410.

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Die beaufsichtigende Begleitung der Schülergruppe in das Bierzelt war Teil der Dienstaufgaben der Lehrkraft. Ohne Dienstpflichtverletzung hätte sie eine Teilnahme nicht verweigern können. Mithin ist im vorliegenden Fall von einem Dienstunfall auszugehen.

Ob ein bestimmtes Handeln geboten ist und ob es durch die Diensterfordernisse geprägt ist, muss nach dem pädagogischen Gesamtauftrag beurteilt werden. Bei Klassenfahrten steht nicht die bloße Wissensvermittlung und Beaufsichtigung im Mittelpunkt, sondern der Aufbau von Vertrauen zu den Schülern (BVerwG, Urt. v. 3.11.1976, AZ VI C 203.73)

Eventuell wäre der Unfall bei einem Sitzenbleiben auf der Bank nicht oder anders eingetreten, jedoch stand das auf die Bank steigen in einem engen natürlichen Kontext mit den Dienstaufgaben. Heute wird es als sozialadäquat angesehen und ist weit verbreiteter Brauch, in Bierzelten auf den Bänken zu tanzen. Deshalb ist die Erlaubnis der Lehrkräfte dazu nicht zu beanstanden. Die abstrakte Gefahr, die davon ausgeht, ist so gering, dass ein Verbot nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Hätte sich die Lehrerin dem Gruppenzwang verweigert und wäre sitzengeblieben, wäre sie ostentativ auf Abstand zur Schülergruppe gegangen. Dies wäre mit dem pädagogischen Gesamtauftrag aber unvereinbar gewesen. Sie muss sich also kein Verhalten, das den Unfall provoziert habe, zurechnen lassen. Der konkrete Zusammenhang mit der Dienstausübung ist mithin zu bejahen. Die temporäre Dienstunfähigkeit der Lehrkraft beruht mithin auf einem Dienstunfall.

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