Ein Disziplinarverfahren ist wohl für jeden Beamten unangenehm und kann ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen. Wie das Verfahren abläuft und wie Sie sich am besten verteidigen, erklären wir in diesem Beitrag.
1. WANN WIRD EIN DISZIPLINARVERFAHREN GEGEN BEAMTE EINGELEITET?
Ein Disziplinarverfahren wird regelmäßig beim Verdacht eingeleitet, dass der Beamte ein Dienstvergehen begangen hat.
Für Bundesbeamte gilt hierbei das Bundesdisziplinargesetz (BDG), für Landesbeamte das entsprechende Landesdisziplinargesetz (HDG Hessen, LDG Baden-Württemberg, LDG Rheinland-Pfalz).
Kein Disziplinarverfahren wird hingegen bei nicht verbeamteten Angestellten im öffentlichen Dienst eingeleitet. Für diese gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Kündigung und Abmahnung.
Voraussetzung eines Disziplinarverfahrens ist aber sowohl bei Bundes- als auch Landesbeamten stets ein Dienstvergehen. Davon spricht man, wenn ein Beamter schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat (§ 47 I BeamtStG bzw. § 77 BBG).
Beispiele für Dienstvergehen sind:
Massiver Arbeitszeitbetrug
Alkoholkonsum mit Auswirkungen auf den Dienst des Beamten
Bestechlichkeit
Nichtbefolgen dienstlicher Weisungen
Mobbing von Kollegen
Untreue
Andere Beispiele für außerdienstliches Fehlverhalten sind:
- Drogenhandel und -erwerb
- Meineid
- Unerlaubte Nebentätigkeit
- Trunkenheitsfahrt
- Verfassungsfeindlichkeit
2. WIE LÄUFT EIN DISZIPLINARVERFAHREN AB?
- Bei Anhaltspunkten für ein Dienstvergehen leitet der Dienstherr das Disziplinarvergehen von Amts wegen ein. Ein Antrag ist also grundsätzlich nicht erforderlich. Ein solcher kann aber durch den Beamten selbst erfolgen, wenn er sich vom Verdacht eines Dienstvergehens entlasten möchte.
- Dem Beamten ist anschließend mitzuteilen, dass und warum ein Disziplinarverfahren eröffnet wurde. Hierbei wird er auch darauf hingewiesen, dass er sich zur Sache äußern oder sich nicht äußern und einen Anwalt hinzuziehen kann.
- Nach Einleitung des Disziplinarverfahrens untersucht der Dienstherr eingehend den Sachverhalt. Er ermittelt hierbei nicht nur belastende, sondern auch entlastende Tatsachen. Hierzu gehört auch eine Anhörung des Beamten, sofern dieser sich äußern möchte. Der Dienstherr hat im Rahmen der Ermittlung weitreichende Befugnisse. Er kann Zeugen und Sachverständige vernehmen, Auskünfte einholen, dienstliche Unterlagen des Beamten einfordern und sogar bei Gericht Beschlagnahmen und Durchsuchungen beantragen. Sollte während des Disziplinarverfahrens ein Strafverfahren gegen den Beamten aufgrund des Dienstvergehens eröffnet werden, wird das Disziplinarverfahren ausgesetzt und zunächst eine Entscheidung des Strafgerichts abgewartet.
- Nach Beendigung der Ermittlung wird dem Beamten eine letzte Gelegenheit gegeben, sich abschließend zur Sache zu äußern.
- Nun entscheidet der Dienstherr, ob er eine Disziplinarmaßnahme verhängt oder das Disziplinarverfahren mangels Beweisen einstellt.
- Sollte der Beamte tatsächlich ein Dienstvergehen begangen haben, können ihm die Kosten des Disziplinarverfahrens auferlegt werden. Andernfalls trägt diese der Dienstherr.
Wurde ein Verfahren daher nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen, kann bei Gericht die Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Verfahrens beantragt werden. Da ein Disziplinarverfahren dem Beamten viel Kraft und Nerven kostet, ist ein solcher Antrag grundsätzlich zu empfehlen.
Im Einzelfall kann der Dienstherr eine Suspendierung des Beamten bereits vor Abschluss des Disziplinarverfahrens für notwendig halten. Er untersagt dem Beamten in diesem Fall die Führung seiner Dienstgeschäfte. Eine solche Suspendierung geht oftmals mit einer Kürzung der Bezüge einher und erfolgt vor allem dann, wenn der Verdacht besonders schwer wiegt.
3. WELCHE DISZIPLINARMASSNAHMEN DROHEN
Sollte sich der Verdacht der Pflichtverletzung bestätigen, so kann der Dienstherr aus einer ganzen Reihe von Disziplinarmaßnahmen wählen. Allerdings hat der Dienstherr keine freie Wahl. Er muss nach „pflichtgemäßen Ermessen“ entscheiden. Das bedeutet in erster Linie, dass die Disziplinarmaßnahme im Verhältnis zum Vorwurf steht. Hier bieten sich oftmals Angriffspunkte.
In Betracht kommen folgende Maßnahmen:
VERWEIS
Der Verweis ist ein schriftlicher Tadel. Mit ihm gibt der Dienstherr dem Beamten zu verstehen, dass er sein Verhalten missbilligt. Der Verweis muss hierbei ausdrücklich als solcher bezeichnet werden, bloße Rügen sind keine Disziplinarmaßnahme.
GELDBUSSE
Die Geldbuße kann bis zur Höhe der monatlichen Dienstbezüge auferlegt werden. Sie kann den Beamten also empfindlich treffen. Die genaue Höhe liegt wiederum im Ermessen des Dienstherrn und hängt von der Schwere des Dienstvergehens ab.
KÜRZUNG DER DIENSTBEZÜGE
Während die Geldbuße eine einmalige Angelegenheit ist und sich zumindest finanziell mit Zahlung durch den Beamten erledigt, wirkt die Kürzung der Dienstbezüge über einen längeren Zeitraum. Die Dienstbezüge des Beamten können um höchstens ein Fünftel für einen maximalen Zeitraum von drei Jahren gekürzt werden.
Zu einem geminderten Dienstbezug tritt daher unter Umständen noch eine entgangene Beförderung hinzu.
ZURÜCKSTUFUNG
Mit einer Zurückstufung wird der Beamte in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Grundgehalt versetzt. Eine erneute Beförderung des Beamten ist im Allgemeinen erst nach fünf Jahren wieder zulässig.
ENTFERNUNG AUS DEM BEAMTENVERHÄLTNIS
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist die schwerwiegendste Disziplinarmaßnahme. Sie ist das beamtenrechtliche Äquivalent zur Kündigung eines Arbeitnehmers. Aus diesem Grund erfolgt die Entfernung nur bei einem schweren Dienstvergehen, welches das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in den Beamten endgültig zunichte gemacht hat.
Beispiele:
- Beamter A stellt gegen eine „Geldspende“ falsche Pässe aus.
- Polizist B verletzt vorsätzlich einen ohne Anlass Demonstranten schwer. B musste nur einmal „Dampf ablassen“.
- Beamter C bekennt sich offen zum Nationalsozialismus / leugnet den Holocaust / leugnet die Legitimität der Bundesrepublik.
- Lehrerin D wird Sonderurlaub versagt. Sie legt für den Zeitraum ein unrichtiges Attest vor und tritt unter Fernsehbegleitung eine Fernreise an (so geschehen im kuriosen „Dschungel-Camp“-Fall).
Eine erneute Ernennung zum Beamten ist nach Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgeschlossen. Dies gilt auch für ein anderes Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst.
Auch ohne Disziplinarverfahren wird der Beamte automatisch aus dem Beamtenverhältnis entfernt, wenn er vor einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr verurteilt wird. In diesem Fall gilt er als ungeeignet für das Beamtenverhältnis.
Mit der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis verliert der Beamte auch seine Pensionsansprüche. Gänzlich unversorgt ist er damit im Alter allerdings nicht. Es kommt regelmäßig zur Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Auch Beamte im Ruhestand können von Disziplinarmaßnahmen betroffen sein. Diese können aber nicht mehr aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden. Beamten im Ruhestand wird daher regelmäßig die Pension gekürzt oder bei schweren Dienstvergehen sogar ganz aberkannt. Auch die Pension kann höchstens um ein Fünftel für längstens drei Jahre gekürzt werden.
4. KANN DER DIENSTHERR ALLEIN ÜBER DISZIPLINARMASSNAHMEN ENTSCHEIDEN
Die Art der Disziplinarmaßnahme entscheidet auch über das weitere Vorgehen des Dienstherrn.
Verweis, Geldbuße und Kürzung der Dienstbezüge beziehungsweise des Ruhegehalts kann der Dienstherr durch Verwaltungsakt selbst anordnen („Disziplinarverfügung“).
Eine Zurückstufung, die Aberkennung des Ruhegehalts oder eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kann der Dienstherr dagegen nur durch Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erreichen. Diese wiegen für den Beamten besonders schwer und sollen daher in jedem Fall noch einmal vom Verwaltungsrichter überprüft werden.
5. WIE KÖNNEN SICH BEAMTE VERTEIDIGEN?
Ein Disziplinarverfahren kann für einen Beamten also gravierende Folgen haben. Insbesondere die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sollte unbedingt verhindert werden.
Aus diesem Grund ist eine Anfechtung der Disziplinarmaßnahme in den meisten Fällen sehr zu empfehlen. Ohne Hilfe ist dies aufgrund der komplexen Rechtsmaterie kaum möglich. Daher sollte ein Anwalt für Beamtenrecht mit der Vertretung beauftragt werden.
Sollte das Disziplinarverfahren zu Ungunsten des Beamten ausgehen, so kann gegen einen Verwaltungsakt Widerspruch eingelegt werden.
Mit dem Widerspruch äußert der Beamte seine Überzeugung, dass das Ergebnis des Disziplinarverfahrens unrichtig ist. In der Regel ist die oberste Dienstbehörde mit der Angelegenheit befasst. Wird dem Widerspruch nicht entsprochen, bleibt nur der Gang zum Verwaltungsgericht. Bei Zurückstufung, Aberkennung des Ruhegehalts oder Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kommt es ohnehin zu einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht.
6. FAZIT
- Ein Disziplinarverfahren wird bei einem Dienstvergehen des Beamten eingeleitet.
- Dem Beamten wird die Einleitung eines Disziplinarverfahrens mitgeteilt. Er kann sich zur Sache äußern.
- Der Dienstherr ermittelt im Rahmen des Verfahrens alle belastenden und entlastenden Umstände und trifft anschließend seine Entscheidung.
- Folge des Disziplinarverfahrens können sein:
- Ein Verweis
- Eine Geldbuße
- Die Kürzung der Dienstbezüge
- Eine Zurückstufung
- Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
- Stellt sich der Vorwurf als falsch heraus, wird das Verfahren eingestellt.
- Die Wahl der Disziplinarmaßnahme liegt im Ermessen des Dienstherrn und hängt von der Schwere des Dienstvergehens ab.
- Gegen die Disziplinarmaßnahme kann Widerspruch eingelegt und anschließend Klage erhoben werden.
Beamtenrecht Hessen
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